Mittwoch, 20. Mai 2009

Zeit zum Aufbruch

Eichenfaust war nicht umsonst einer der Ausbilder für den Kampf. Trotz allen Mutes und vor Kraft strotzend, steckte ein lieber Kerl in ihm, den man sich als Freund und Gefährten nicht besser wünschen konnte. Der Hüne lächelte selbstsicher und erwiderte den fragenden Blick Schwarzpfotes: "Menschen. Wie lange habe ich mir gewünscht, sie einmal zu treffen. Nach all der Zeit und den Legenden. Mal sehen, ob sie genauso stark und berüchtigt sind, wie die Schriften es besagen. Ich habe keine Angst, ihnen zu begegnen. Wir werden sie zu Alter Stein bringen müssen. Er wird entscheiden, was zu tun ist."

"Du bist Dir sehr sicher, Eiche. Vielleicht zu sicher. Wie viele Menschen hast Du schon geschlagen, in Deinem Leben?". Bärenfell stellte diese Frage langsam, man merke gleich an dem Ton in seiner Stimme, wer der älteste in dieser Runde war. Ein leicht belehrender, fast vorwurfsvoller Ton lag in seiner Stimme. Er wiederholte sich, da Eiche zunächst nicht erwiderte: "Na? Wie viele?" Eiches Gesichtszüge wurden ernst, sein zuvor noch klares Gesicht bekam Falten, als er unsicher antwortete: "Das spielt keine Rolle. Wir Zerwol sind den Zweibeinern überlegen. Ich bin die Geschichte der alten Kriege immer wieder durchgegangen und zu der Überzeugung gekommen, das nur ihre Überzahl das Ende erzwungen hat. Schon mein Großvater hat gesagt...". Bärenfell fiel ihm ins Wort: "Du warst noch nicht geboren, als die Kriege zu Ende gingen, Eiche. Und Studien, Theorie, darauf willst Du bauen? Ausgerechnet Du?
Nein Eiche. Wir wissen nicht, wie stark die Menschen sind. Das Einzige das wir wissen ist, das wir vorsichtig sein müssen. Sehr vorsichtig! Die Geschichten unserer Vorfahren haben alle eines gemeinsam: Sie enden damit, das man Menschen nicht trauen kann. Nur dies ist das einzig sichere, worauf wir bauen können!". Bärenfell sah bei den letzten Worten fest in Eichenfausts Augen, um ihnen Nachdruck zu verleihen.

Der Hühe erwiderte unzufrieden: "Ich respektiere Deine Meinung Bärenfell und gebe zu, das wir vorsichtig sein müssen. Deshalb sollten wir aber trotzdem keine Angst vor den Menschen haben!". Bärentatze spürte Eichenfausts Bedrängnis und unterbrach die beiden, um das Thema zu beenden und zur Planung des neuen Tages zurückzukehren: "Bärenfell sprach nicht von Angst, Eiche. Du bist ein erfahrener Sucher und weisst gut zwischen Angst und Vorsicht zu unterscheiden. Es hat uns noch nie geschadet, wachsam zu bleiben. Lasst uns lieber besprechen, wie wir als nächstes verfahren." Als die beiden danach wieder beruhigt wirkten, gingen die Zwerwol die Aufgaben durch.

"Bärenfell, Du übernimmst heute die Nachhut und trägst unsere Ausrüstung. Schwarzpfote, Eiche und ich schwärmen aus. Wir laufen parallel voraus. Heuler, Deine Aufgabe kennst Du ja bereits." Die Zwerol nickten vereinzelt und standen auf, um sich vorzubereiten. Bärenfell vergrub das restliche Essen und verwischte routiniert alle Spuren des Lagers. Danach begann er einen großen Doppelrucksack zu packen. Der Rucksack, der aus zwei Taschen bestand, um bequem auf dem Wolfsrücken eines Zwerwol platziert zu werden, beinhaltete Gewürze für die Essensvorbereitung, Kräuter bei Verletzungen und andere nützliche Dinge.
Bärenfells bevorzugte Waffe war ein Kriegshammer, den er immer sorgfältig aufbewahrte und an jeden Abend pflegte. Die Waffe war ein Erbe seiner Vorfahren, der er großen Respekt zollte. Zwerwol pflegten Ihre Waffen zu verzieren. Auch die Waffe von Bärenfell war mit wunderschönen Zeichen und Mustern belegt. Die Muster waren fein gearbeitet, wie auch alt, so alt, das ihre ursprüngliche Bedeutung vergessen war. Einzig ein Bild in der Mitte, in Form einer Spirale war deutlich zu erkennen, sie bildete zugleich das Wappen von Bärenfells Clan. Für die Reise nutzte Bärenfell einen Riemen, um den Kriegshammer über die Armschulter zu hängen. Während er seine Waffe prüfte, blickte er kurz zu Schwarzpfote, der eigene Vorbereitungen traf.

Schwarzpfote rollte seine Decke zusammen, die er für die Nachtruhe als Unterlage nutze und reichte sie Bärenfell, der sie sogleich nickend an den Rucksack band. Danach griff der Zwerwol mit der schwarzen Pfote nach seiner Verteidigung. Die Waffe Schwarfzpfotes war eine zweihändige Kampfaxt, mit einer Klinge auf jeder Seite. Die Waffe war überraschend leicht, Schwarzpfote verhalf dieser Zustand dazu, das er sie mit einer Kunstfertigkeit verwenden konnte, wie kein anderer. Schnell, und mit einem leisen Surren, wirbelte der Zwerwol mit dem dunklen Fell die Axt einmal um sich herum, als wenn er sicher gehen wollte, das sie auch noch funktionierte. Das Surren der Axt war etwas besonderes, ihr Ton war einmalig, in Gebrauch ähnelte es dunklem Gesang. Je nachdem wie Schwarzpfote seine Waffe verwendete, änderten sich ihre Töne leicht. In Zweikämpfen wusste man gleich, das Schwarzpfote der Gegner war, denn der Ton seiner Axt war zugleich respekteinflößend. Gerne schwang der hagere Zwerwol unmittelbar vor dem Kampf drohend seine Flüster, wie er sie liebevoll nannte, um die Gegner zu verunsichern.
Geradezu mütterlich überprüfte der Zwerwol noch die Schärfe der Axt und strich mit ein, zwei Bewegungen einige Grasbüschel von den Klingen, die er meinte gesehen zu haben. Nach einem letzten Puster auf eine Klinge schien er zufrieden. Auch die Axt von Schwarzpfote war verziert. In der Mitte, zwischen den Klingen, waren Wolken eingearbeitet, aus denen unregelmäßige Blitze, strahlenförmig auseinander liefen und in den scharfen Klingen endeten. Ein Lederband umschlang kunstfertig den gesamten Schaft, um am Ende in einem festen Griff abzuschließen. Wie alle Handwaffen, besaß auch die Kampfaxt einen Riemen, der dazu diente die Waffe bequem zu transportieren oder ihr zu manchen kunstfertigen Schwung zu verhelfen. Schwarzpfote warf gekonnt seine Verteidigung auf den Rücken und schaute Eichenfaust zu, wie dieser die letzten Teile seiner Ausstattung prüfte.

Eichenfaust war nicht nur ein guter Kämpfer ohne Waffen, er war auch ein Waffennarr. Zu seiner Sammlung gehörten die verschiedensten Waffentypen der Zwerwolgeschichte. Jede einzelne der stählernen Kampfgefährten hat Eiche bis auf das Letzte studiert. Der Hüne beherrschte die Verteidigungswerkzeuge selbst mit verbundenen Augen. Zu seinem Unmut konnte er nicht alle seine Kampfhelfer mitnehmen und rang deshalb jedes Mal aufs Neue, welche Waffe den Vorzug bekam und ob sie zu der Unternehmung passte. Dieses Mal hatte Eichenfaust einen Dolch und zwei Äxte dabei. Die Auswahl schien einem Unkundigen wenig, doch das war ein Irrtum. Die beiden unscheinbaren Äxte waren einmalig, Eiche hatte sie von einem alten Schmied erhalten, der als Einsiedler in den Bergen lebte und dort alte, vergessene Waffen baute, so kunstfertig wie kein anderer. Eiche beäugte seine Waffen und ein Lächeln entsprang seinen Lippen, als er sich in dem Moment an die Geschichte erinnerte.

Der Schmied, den man einfach nur den alten Amboss nannte, lebte einsam und zurückgezogen in der Nähe des Dorfes Lerchengrund. Nur von Zeit zu Zeit ließ er sich im Ort blicken, um seinen Proviant wieder aufzufüllen und dann schnell wieder zu verschwinden. Als Währung zahlte der alte, kräftige Zwerwol meist mit leichten Messern, die wegen Ihrer Verarbeitung in der Bevölkerung sehr begehrt waren. Dieser Zustand machte den alten Amboss sehr bekannt, was er eigentlich vermeiden wollte. Viele Zwerwol versuchten immer wieder Waffen vom alten Schmied zu kaufen, doch der Alte wollte kein Geld. Stattdessen gab er den Zwerwol genug Zeit, um sich die Waffen anzusehen und auszusuchen. Am Ende versprach er jedem Interessierten, ihm die ausgewählte Waffe zu schenken, jedoch nur, wenn dieser eine Bedingung erfüllte.
Der alte Schmied glaubte, das jede Waffe eine Seele hatte. Und so war er überzeugt, das nicht der Kämpfer sich die Waffe, sondern die Waffe sich ihren Kämpfer auserwählen würde. Also musste jeder interessierte Zwerwol einen Test bestehen. Würde sich die Waffe ergeben - ein Zwerwol das Kampfmittel also beherrschen - dann schenkte er ihm das gute Stück. Die Herausforderungen hatten es jedoch in sich. Die Waffen des alten Schmieds waren so außergewöhnlich, so perfekt und scheinbar unbeherrschbar. Der alte Amboss zeigte jedem Kämpfer einen Weg, wie er die Waffe nutzen und sie anwenden sollte. Hinter seiner Schmiede hatte der alte Waffenmeister einen Testparcours erbaut, den er für seine Kampfkunstwerke nutzte. Diesen Parcours stellte er jedem Bewerber zur Verfügung und legte ihm seine Aufgaben auf.

In all den Jahren stellten sich nur sehr wenige heraus, die fähig waren, die Waffen des Schmieds zu beherrschen, zu diesen Wenigen gehörte Eichenfaust, der an einem sonnigen Tag den Schmied aufsuchte, aus dessen Werkstatt laute Metallschläge zu verlauten waren. Als der junge Zwerwol in die Werkstatt blickte und sich seine Augen an das Dunkel gewöhnten, erkannte er den alten Amboss bei seiner Arbeit. Der alte Zwerwol wurde dem Ruf eines Schmieds gerecht. Um dem Feuer zu entgehen, waren seine langen Kopfhaare zu feinen Zöpfen zusammengebunden, die Zöpfe selbst wiederum saßen, kunstvoll zu einem Knotenmuster geordnet, eng am Kopf. Seine beiden Bartenden formten ihrerseits auch kurze Zöpfe und standen etwas ab. Im Gegensatz zu den meisten Zwerwol, besaßen Schmiede keinen Bart und so hatte auch der alte Amboss seinen rasiert. Schweiß lief am Körper des Waffenmeisters herab. Auch das Fell war sehr kurz gehalten, um der warmen Körperflüssigkeit wenig Halt zu bieten, typisch für einen Schmied. Das geschorene Fell unterstützte den muskulösen Körper des alten Zwerwol. Der Schwanz des Schmieds war gekürzt und nur ein Stumpf zeugte von seiner früheren Anwesenheit, was den Beruf des Zwerwolschmieds unterstrich und nicht ungewöhnlich war.

Eichenfaust stellte sich in den Toreingang und stahl mit seiner starken Shiluette das Licht: "Hey, wer lungert da im Weg?! Geht mir aus der Sonne, Fremder. Ich verkaufe nichts!", schnaubend holte der Schmied zu einem weiteren Schlag aus und scherte sich nicht um Eiche, der stirnrunzelnd aber mit einem Lächeln erwiderte: "Ich will nichts kaufen, ich will mich nur umsehen." Der Schmied schenkte Eiche keinen Blick: "Das hier ist kein Museum! Es gibt nichts zu sehen. Sieh zu, das Du Dich aus dem Staub machst, Grünschnabel!". Eichenfaust hatte bereits von der Sturheit des Schmieds gehört und blieb hartnäckig: "Ich habe gehört, Eure Waffen sollen mittelmäßig sein, aber vielleicht ist ja doch das ein oder andere gute Stück dabei?" - Der Schmied schlug neben das heiße Metall, das er gerade bearbeitete und fluchte: "Zum Teufel! Da habt Ihr etwas falsches gehört. Das kann nur jemand sagen, der keine Ahnung von der Waffenschmiedekunst hat oder von mir abgewiesen wurde, wie die meisten." Eiche nutzte die Gelegenheit: "Wenn dem so ist, dann zeigt mir Eure Waffen, ich würde sie gerne sehen."

Der alte Amboss hörte auf zu arbeiten und blickte Eiche das erste Mal an. Der Waffenmeister musterte den jungen Zwerwol mit einem strengen Blick. Dann schaute er Eichenfaust tief in die Augen. Eiche wusste nicht so recht, was er erwidern sollte, der Schmied starrte ihn lange skeptisch an, bis er wieder etwas sagte: "Du interessiert Dich also für Waffen? Wie heisst Du, Rüde?!", "Ich - man nennt mich Eiche, Eichenfaust heisse ich. Ich bin ein Suchergeselle.", Eiche wollte das Gespräch auflockern und hoffte dem alten Zwerwol so näher zu kommen: "Ich sammle Waffen, ich bin ein guter Waffenkenner." - Der alte Amboss brach in schallendes Gelächter aus, das sich die Balken seiner Schmiede bogen: "Ein Waffenkenner, der Waffen sammelt! Der Geselle denkt, er wäre ein Waffenkenner.", Eiche merkte zu spät, das er einen Fehler begangen hatte und wollte sich sogleich verteidigen, als der Schmied nach einem tiefen Atemzug fortfuhr, mit Tränen in den Augen:

"Waffenkenner - unglaublich, diese Welpen. Wenn Du so ein Waffenkenner bist, mein Jung, dann beantworte mir die folgende Frage: Wie viele Seelen stecken in einem Streithammer?", Eiche stockte erst, doch dann überkam ihn ein Gefühl der Sicherheit. Das war sein Gebiet, die Geschichte der Waffenkunst, der Schmied sollte ihn kennen lernen: "Das ist einfach. Ein Streithammer hat nur eine einzige Seele. Man nennt sie Wucht. Ein Streithammer ist ein Ganzes Wesen und besteht weder aus Kopf, noch aus Schaft, die Seele steckt im innern.", Eiche war stolz auf sich. Er merkte, das er den alten Schmied beeindruckt hatte, denn der Waffenmeister schwieg. Man sah ihm an, das er überlegte. "Das war gut, Rüde. Nicht schlecht, für einen so jungen Wolf.", der Waffenmeister legte seinen Hammer neben dem Amboss ab, auf dem er soeben noch gearbeitet hatte und führte das glühende Stück Stahl wieder ins Feuer, das sicher einmal eine weitere Meisterwaffe werden sollte. "Ich will Dir eine Chance geben, junger Eichenfaust. Suche Dir eine Waffe aus, und Du darfst sie behalten.", Eiche strahlte bereits, doch der alte Amboss führte seinen Satz fort: "Allerdings nur, wenn Du eine Prüfung bestehst. Du hast nur einen Versuch.", Eiches strahlendes Gesicht erlosch schneller, als es erstrahlte.

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